Eure mariposa
Das Märchen von der Limette, die eine Prinzessin werden wollte
Es war einmal eine arme Limette. Sie dümpelte vergessen im Gemüsefach eines Kühlschranks vor sich hin. Von einem Tag zum anderen schrumpelte sie immer mehr ein und es war deutlich zu sehen, dass sie nicht mehr sehr lange durchhalten würde.
„So was Unfaires! Keiner will mich mehr! Dabei war ich für Höheres geboren. Ich habe das Potenzial zur Prinzessin! Und wenn das nicht geht, dann möchte ich wenigstens Caipirinha werden oder doch zumindest ausgepresst in Limonade oder in Scheiben geschnitten auf einem Wiener Schnitzel enden. Aber so? Ich habe nur noch die Auswahl, einfach zu vertrocknen oder zu verschimmeln.“ schimpfte sie, schon ziemlich resigniert.
Eines Tages erhielt der Inhalt des Gemüsefaches seltsamen Zuwachs. Es war ein Holzstäbchen mit glitzernden Fransen an einem Ende. Was hatte dieses Objekt nur hier zu suchen? (Man muss dazu sagen, die Besitzerin des Kühlschranks war eine einigermaßen g’schlamperte Hausfrau, da kam so was schon mal vor.)
Limette dachte bei sich: „Ach, ich habe eh’ nichts Anderes zu tun. Ich spreche das Ding mal an, vielleicht kann man sich ja ein wenig unterhalten.“
- „Hey, Du da! Ja, Du kleines Glitzerding! Herzlich Willkommen hier. Wer bist denn Du und vor allem, was bist Du?“
- „Ach hallo, schönen Tag auch. Nett, Dich kennen zu lernen, Limette. Ich bin ein Zauberstab.“ Er plusterte sich ein wenig auf und guckte sie etwas hochnäsig an. Das legte sich aber sofort wieder, als er sich seiner nicht gerade rosigen Lage bewusst wurde.
- „Ach, ein Zauberstab??!“ gab sie bewundernd zurück. „Und was zauberst Du so?“
- „Mal dies, mal das. Und wenn man drei Mal an mir rubbelt und das Zauberwort sagt, erscheint eine gute Fee, die einem alle Wünsche erfüllt.“
- „Woooow! Das hört sich ja toll an! Du wärst nicht zufällig bereit, mir das Zauberwort zu verraten?“
- „Hmmm…“ überlegte er. Er war schon länger nicht mehr gerubbelt worden, sollte er diese Chance wahrnehmen? Ach ja, warum nicht:„Na gut, Du scheinst eine nette Limette zu sein. Das Wort ist spwswsws…“ flüsterte er ihr ins Ohr.
(Ihr habt doch jetzt nicht gedacht, dass ich das im Klartext hinschreibe, oder? Nä! Niemals! Zauberworte muss man geheim halten, das weiß doch jeder.)
Sofort machte sich Limette ans Werk, rubbelte drei Mal an dem Holzstäbchen und flüsterte andächtig das Zauberwort. Sie wartete ein paar Sekunden, nichts passierte. „Habe ich was falsch gemacht?“ wisperte sie. „Nein, eigentlich müsste alles passen. Du kannst ja vorsichtshalber noch mal…“
ZAPPARAZONG*&%@*#*!!!
Limette und der Zauberstab befanden sich auf einmal nicht mehr im Kühlschrank, sondern in einem Fernsehstudio. Es gab einen gewaltigen Blitz und aus plötzlich aufwallenden Nebelschwaden erschien… Bruce D.!
Oh Mann, das passiert, wenn man einem windigen Cocktailfähnchen vertraut: Statt einer veritablen guten Fee kriegt man nur einen mittelprächtigen TV-Modelcoach!
- „Ach, Bruce! Ich wäre sooo gerne eine Prinzessin!“
- „Hello, Limette! Du brauchst eine Wechsel! Ich kann Dich leider nicht zur Prinzessin machen, aber vielleicht wenigstens zu Germany’s Best Kühlschrank-Model. Und das ist der Wahrheit!“
Limette war wild entschlossen, das Beste aus der Situation zu machen. Alles war besser, als in längstens weiteren 4 Tagen im Müll zu landen.
- „Ok, ich bin einverstanden. Was muss ich tun?“
- „Heavens, da ist wirklich viel zu machen! Du brauchst eine komplette Roundup. Facelift, Nasenkorrektur, Lippen, Peeling, Training und was da sonst noch so alles in die Tüte ist. Du hast ja noch nicht mal gezupfte Augenbrauen oder rasierte Achseln! Lass uns gleich anfangen.“
Gesagt, getan! Bruce und sein Team setzten zur Generalüberholung von Limette an…
… und nach einigen Wochen war es geschafft: Limette erstrahlte in nie gekanntem Glanz, die Haut war straff und prall, die Nase neu geformt. Beim Blick in den Spiegel erkannte sie sich beinahe selbst nicht wieder.
„Sapperlot, sehe ich gut aus! Wenn ich ein Kerl wäre, würde ich mich in mich verlieben!“ rief sie entzückt.
Nun gut, objektiv betrachtet ähnelten ihre Lippen vom Modell „Angelina J.“ eher denen von Society-Sternchen Chiara O. und insgesamt wirkte sie ein wenig wie eine dieser Kunststoff-Flaschen für Limettensaftkonzentrat. Aber das war Limette egal.
„In einigen Wochen, wenn die Fäden gezogen und die Narben soweit verheilt sind, dass sie sich überschminken lassen, kann es richtig los gehen! Dann hat hoffentlich auch die Spannung im Gesicht soweit nachgelassen, dass ich wieder ordentlich sprechen, lachen und vor allem essen kann.“ seufzte sie. „Ach, ein schönes Steak! Das wäre jetzt was.“ Stattdessen steckte sie sich ein Pfefferminzbonbon in den Mund und fuhr eifrig mit ihrem Training fort.
Und richtig, nachdem noch einige Zeit ins Land gegangen war, war aus der ehemals schrumpeligen Limette eine ganz ansehnliche Schönheit geworden.
„Limette, es wird Zeit, dass Du Dein Glück in der Welt versuchst“, sagte Bruce. „Ich habe Dich neu geformt, Dir gezeigt wie man richtig geht und wie man sich in Gesellschaft benimmt. Zeig’ es Ihnen! Lass mich stolz auf Dich sein! More Drama, Baby!“ Mit diesen Worten schob er sie zur Tür hinaus in ihr neues Leben.
Limette fand sich einigermaßen verdutzt auf der Straße wieder. Was sollte das denn jetzt wieder? Na gut, dann mal sehen, was sich an guten Gelegenheiten bietet. Limette stellte sich an den Straßenrand, schürzte das ohnehin kurze Röckchen und hielt den Daumen in den Wind. (Na, ob das jetzt so eine gute Idee war, mitten im Gewerbegebiet von Hürth-Kalscheuren?)
Aber sie hatte Glück, schon nach einer halben Stunde stoppte ein flotter Sportflitzer. Der nicht mehr ganz so flotte Fahrer fragte sie, ob sie mitfahren wolle. Er wäre unterwegs zu einem Wochenendtrip nach Paris und ein wenig Unterhaltung unterwegs käme ihm ganz gelegen. Paris? Warum nicht. Limette kletterte freudig in den Wagen und schon ging es los.
- „Isch bin der Schäng und isch mache in Immobilien. Und Du?“
- „Ääääh…“ Limette wollte nicht gleich mit ihrer ganzen Lebensgeschichte rausrücken. „Ich bin die Limette und möchte Model werden. Oder einen netten Mann fürs Leben kennen lernen. Was halt zuerst passiert. Schau’n mer mal.“
- „Ja warum denn auch nit, bist ja ene lecker Mädsche! Mit Dir tät isch och noch Stippeföttchen danze wolle.“
- „Hach, danke! Das ist ja nett!“ Ihr war zwar nicht ganz klar, was der Typ da von sich gegeben hatte, aber der Tonfall klang freundlich. Immerhin. Das kommt halt davon, wenn man keine Fremdsprachenkenntnisse hat.
Unter einigem weiteren seichten Dahingeplänkel rasten die Zeit und die Kilometer dahin und sie erreichten endlich Paris. Beide waren inzwischen rechtschaffen müde. Nun war also eigentlich der Zeitpunkt der Trennung gekommen.
- „Als denn, Jean, vielen Dank noch mal fürs Mitnehmen…“ begann Limette lahm und suchte krampfhaft in ihrem Hirnkastel nach einer zündenden Idee, aus Jean noch eine Übernachtung rauszuleiern. Schlechtes Timing, das hätte sie früher vorbereiten müssen. Mist!
Aber sie hatte Glück. Da Jean sich für einen Kavalier der alten Schule hielt (und vielleicht insgeheim auf ein kleines Techtelmechtel hoffte) bat er Limette an, sich das Zimmer mit ihm zu teilen:
- „Weißte Limettsche, wenn isch in Paris bin, penne isch immer bei minge alte Fründ, dem Üffes. Der hat bestimmt nix dajegen, wenn isch disch mitbringen tu. Und dem singe Gästezimmer hat auch Platz jenuch für uns zwei.“
Limette stimmte erleichtert und erfreut zu. Sie war inzwischen so müde, dass sie sich nur noch irgendwo ausstrecken und erst mal mindestens acht Stunden schlafen wollte. Ach ja, ein bequemes Bett. Und vorher noch ein schönes Schaumbad. Und Croissants zum Frühstück. Und Milchkaffee dazu. Ja, ja, Limette war auch in derangiertem Zustand einigermaßen anspruchsvoll.
Wie erwartet hatte Jeans Freund Yves nichts dagegen, noch einen Gast zu beherbergen, noch dazu so einen hübschen.
Am nächsten Morgen saßen sie ganz entspannt beim Frühstück zusammen und lernten sich erst mal etwas näher kennen. Yves entpuppte sich als bekannter Modeschöpfer, der auch zufällig gerade auf der Suche nach einer neuen Muse war. Er zeigte sich von Limette total begeistert:
„Mädchen, Du hast Stil und siehst gut aus. Dir fehlt nur noch ein prominenter Mentor. Wenn Du willst, werde ich Dir meine nächste Kollektion widmen und ein Topmodel aus Dir machen.“
Gesagt, getan! Er setzte sich sofort an seinen Schreibtisch und entwarf, beflügelt von seiner neuen Muse, die tollsten Klamotten. Nach nur 2 Wochen war die Kollektion fertig entworfen und die Näherinnen arbeiteten bis spät in die Nacht. Der Höhepunkt der Show war ein Gala-Abendkleid, das Limette mehr oder weniger direkt auf die Haut genäht wurde. Also, nicht direkt auf die Haut, das piekst ja, sondern halt hauteng wie eine Pelle. Ach, Ihr wisst schon, was ich meine.
Die Modenschau wurde erwartungsgemäß ein voller Erfolg. Bei der anschließenden Party kam ein aristokratisch wirkender Engländer auf sie zu und machte ihr ein sehr verlockendes Angebot. Er wäre Personalchef einer bedeutenden Londoner Firma und könne ihr eine Position anbieten, die nur sie auszufüllen in der Lage wäre. Die Bezahlung wäre selbstverständlich überdurchschnittlich und der Job selbst wie für sie gemacht.
Limette willigte in ein Bewerbungsgespräch ein und reiste schon einige Tage später nach London. Das Jobangebot stellte sich wirklich als fantastische Gelegenheit heraus. Madame Tussaud’s suchte händeringend nach einem geeigneten Model für die neue Fabergé-Abteilung. Und Limette eignete sich wirklich hervorragend als Ei-Double. Diese Kurven! Diese Ausstrahlung! Sie wurde vom Fleck weg engagiert.
Und so kam es, dass Limette zwar bis heute ihren Traumprinzen nicht gefunden hat, aber trotzdem glücklich und zufrieden in London lebt und täglich von hunderten, ja tausenden Menschen beguckt, bewundert und fotografiert wird. Genau das, was sie eigentlich immer wollte. Was für eine Karriere!
2 Kommentare:
Heissa, was für ein tolles Teilchen.
Weißt du zufällig noch, woher du die Zwiebel hast?
LG Christiane
Puh, Christiane, irgendwann, irgendwo auf einer Mineralienmesse oder so. Sorry
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